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    "Bauchgefühl trifft Daten"

    Interview mit Diedrich Diedrichsen, Heinz Schwarz GmbH & Co. KG

    Im Gespräch mit Diedrich Diedrichsen, Geschäftsführender Gesellschafter der Heinz Schwarz GmbH & Co. KG, über erfolgreiche Veränderungsprozesse im Unternehmen.

    Herr Diedrichsen, die Produktivität der Heinz Schwarz GmbH & Co. KG ist vor allem beim Kleinteileprozess seit 2016 enorm gestiegen. Der Aufwand für die Wirkflächenaufbereitung ist deutlich gesunken, der für die NC-Programmierung ebenfalls. Sie produzieren Ihre Bauteile durch die Reduzierung von Nebenzeiten wesentlich schneller als noch vor zwei Jahren. Insgesamt konnten Sie den Anteil des Mitarbeiters am Produkt signifikant senken. Auch bei der Großteilefertigung haben Sie mit einigen Verbesserungen begonnen. Verraten Sie uns, wie Sie das geschafft haben?

    Als ich die Geschäftsführung bei Schwarz Anfang 2013 übernommen habe, stand es um das Unternehmen nicht sonderlich gut. Das hatte sicherlich mit den Nachwirkungen der Finanzkrise von 2008 zu tun. Außerdem muss man bei den Verbesserungen berücksichtigen, von welchem Niveau wir gestartet sind. Zumindest dauerten Klein- und Großteilefertigung definitiv zu lang. Es galt herauszufinden, was bei den inneren Abläufen im Argen lag. Und das geht nur mit einer fundierten Analyse. Ich zitiere gerne den US-amerikanischen Statistiker William Edwards Deming, der Anfang des letzten Jahrhunderts ein wahrer Pionier war im Bereich des Qualitätsmanagements: “ In God we trust; all others must bring data.“

    Sie sind also kein Freund des Bauchgefühls?

    Ganz im Gegenteil. Was einen guten Mitarbeiter ausmacht, ist ja nicht nur das reine Fachwissen; entscheidend ist doch die Intuition, situationsbedingt genau das Richtige zu tun. Das ist erst nach langjähriger Erfahrung möglich.

    Aber?

    Viele Bauchentscheidungen sind gut. Aber das Problem war nicht richtig greifbar. Es gab unterschiedliche Abteilungsperspektiven, jeder hatte eine etwas andere Meinung zum Thema. Außerdem fehlte die objektivierte Sicht von außen. Wir mussten unsere Beobachtungen gemeinsam mit unserem externen Partner Tebis auf eine gesicherte Grundlage stellen, bevor wir irgendwelche Entscheidungen treffen konnten. Vertraue deiner Intuition und nutze sie, aber überprüfe sie mit rationalem Denken und Logik!

    Und was war das Ergebnis?

    Nach der Analyse hatten wie konkrete Zahlen, wie viel Zeit die Wirkflächenkonstruktion, die Programmierung, das Rüsten und die Bearbeitung sowie die Methodenentwicklung, die Montage und der Tryout in Anspruch genommen haben. Und wir wussten genau, wo die Schwachstellen lagen.

    Welche Maßnahmen und Konsequenzen haben Sie daraus abgeleitet?

    Für jeden dieser Bereiche haben wir klare Ziele festgelegt. Die Maßnahmen, mit denen wir diese Ziele erreichen wollten, waren bei den Kleinteilen die Aufbereitung der Kleinteile zu Exaktsolids mit Tebis und die Einführung der Tebis Schablonentechnologie mit Hilfe von Tebis Implementierung. Dadurch sollten vor allem das laufzeitparallele Rüsten und die Mehrmaschinenbedienung ermöglicht werden. Bei den Großteilen wollten wir die Wirkflächen vollständig mit Tebis konstruieren. Insgesamt bekamen Standards und Automatisierung einen sehr hohen Stellenwert.

    Hand aufs Herz, Herr Diedrichsen: Ist das wirklich so einfach? Wenn ein Traditionsbetrieb rote Zahlen schreibt, daraufhin eine Investorengruppe das Ruder übernimmt und umfassende Veränderungen ins Haus stehen – so etwas sorgt bei der Belegschaft für genug Verunsicherung. Machen objektivierte Statistiken und Analysen sowie Schlagworte wie Standardisierung und Automatisierung die Mitarbeiter da nicht noch misstrauischer? Niemand möchte nur ein Rädchen im Getriebe sein.

    Besonders am Anfang war es schwierig. Jeder hatte seinen individuellen Arbeitsstil, mit dem er in seinem Bereich sehr gut zurechtgekommen ist. Warum sollte er das ändern? Aber schon sehr bald ließ sich nachmessen, dass wir mit mehr Standardisierung und Automatisierung produktiver werden. Das ist doch der entscheidende Nachteil von Bauchentscheidungen: Sie sind für andere nur sehr schwer nachvollziehbar. Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzte tragen Entscheidungen aber nur mit und helfen Ihnen bei der Umsetzung, wenn sie sie nachvollziehen können. Und genau das gewährleisten Daten und Analysen. Wir haben die Beteiligten von Anfang an über alle Abteilungen hinweg mit ins Boot geholt und sind mit den Herausforderungen offen und ehrlich umgegangen. Aber ganz ehrlich: Noch heute haben wir immer wieder Diskussionen, wenn es mal nicht so läuft wie geplant. Organisationsentwicklung ist eben ein Marathonlauf.

    Gerade die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ist in vielen Unternehmen ein großes Problem.

    Ohne gegenseitiges Verständnis geht gar nichts. Bei uns hat sich das vor allem beim Wirkflächenprozess gezeigt. Nach den Kleinteilen haben wir auch einen neuen Wirkflächenprozess auf den Weg gebracht. Die Wirkflächenkonstruktion steht ganz am Anfang der Prozesskette. Unser Ziel ist es, so viele Produktdetails wie möglich konstruktiv in die Wirkfläche einzubringen. Dies bedeutet im ersten Schritt mehr Aufwand für die Konstruktion. Wenn der Konstrukteur nur seinen Bereich sieht, müssen Sie natürlich mit Widerstand rechnen. Wenn er aber feststellt, dass sich das bei der NC-Programmierung und vor allem im Tryout und Werkzeugbau um ein Vielfaches bezahlt macht, versteht er das Ganze und geht mit. Und das tägliche Arbeiten ist einfach angenehmer, wenn man mehr und besser miteinander redet.

    Die große Bedeutung der „weichen“ Faktoren…

    Ich sage noch einmal: Die Mitarbeiter sind das A und O. Es gibt ja auch immer wieder den Einzelfall, wo wir wegmüssen von den Standards und schnell und flexibel reagieren müssen. Hier ist der Mitarbeiter mit seiner Erfahrung nicht zu ersetzen. Ich verwende hier häufig das Bild einer Autobahn: Es gibt mehrere Spuren, und es macht Sinn, alle zu nutzen. Und wenn eine Situation Außergewöhnliches erfordert, müssen wir auch einmal die Mittelleitplanke ausbauen, den Verkehr auf der Gegenspur anhalten und noch eine Spur mehr nutzen – aber wir brauchen auch dafür Regeln und sehr gute Kommunikation!

    Ihr Erfolgsrezept lautet also auf den Punkt gebracht?

    Erstens: „Junge Wilde“ und „alte Hasen“ über alle Abteilungsgrenzen hinweg gezielt einzubinden. Zweitens: Das Bauchgefühl durch eine gemeinsame Ist-Analyse objektiv zu normieren. Drittens: Die Ziele bottom-up zu definieren und intern genauso wie extern zu vereinbaren. Viertens: Kompromisslose Transparenz. Fünftens: Ein stringentes Projektmanagement inklusive Erfolgsbewertung. Und last but not least: Ein starker Partner mit dem neutralen Blick von außen.

    Der Blick von außen ist wichtig?

    Sie brauchen jemanden, der das Ganze unvoreingenommen begleitet und Sie, wenn nötig, mit offener und ehrlicher Kritik wieder auf den Teppich holt.

    Und das ist für Sie Tebis?

    Software nimmt heute einen großen Teil unseres Investbudgets und der laufenden Kosten ein. Damit sind alle Partner in diesem Bereich wichtige Partner für die Weiterentwicklung. Tebis hat aber sicherlich den weiteren Vorteil, dass die Kollegen die Branche kennen und wissen, worauf es bei der Prozessoptimierung ankommt. Das umfasst Beratung, Analyse und die fundierte Ausbildung der Belegschaft genauso wie die Unterstützung bei der Implementierung konkreter Softwarelösungen. Wir haben uns regelmäßig getroffen und die Entwicklung gemeinsam überprüft. Natürlich passt auch nicht jede Funktion für den einzelnen Anwendungsfall – aber wir arbeiten daran!

    Wir haben viel darüber gesprochen, dass sich harte und weiche Faktoren gegenseitig bedingen. Wie lautet Ihr Fazit?

    Daten und Bauchgefühl bilden die Grundlage für erfolgreiche Optimierungsprojekte. Mit Tebis setzen wir auf eine langfristige Partnerschaft und die nachhaltige Effizienzsteigerung unseres Groß- und Kleinteileprozesses. Sie haben es eingangs gesagt: Wir konnten den Mitarbeiteranteil am Produkt im Kleinteileprozess signifikant senken und sind heute in diesem Bereich wieder wettbewerbsfähig.

    Herr Diedrichsen, wir danke Ihnen für das Gespräch

    Die Heinz Schwarz GmbH & Co. KG

    Die Heinz Schwarz GmbH & Co. KG aus Preußisch Oldenburg ist seit über 50 Jahren renommierter Hersteller für Platinenschneid-, Folgeverbund-, Stufen- und Transferwerkzeuge für die Automobilindustrie, den Nutzfahrzeugbau und die Landwirtschaft. Das Leistungsspektrum umfasst den klassischen Werkzeugbau ebenso wie die Komplettentwicklung bis hin zur Serienfertigung von Bauteilen. Mit knapp 300 Mitarbeitern gehört das Unternehmen zu den größten unabhängigen Werkzeugbauten Deutschlands. Diedrich Diedrichsen ist seit 2013 geschäftsführender Gesellschafter der Heinz Schwarz GmbH & Co. KG.

    Firmengebäude der Heinz Schwarz GmbH & Co. KG
    Firmengebäude der Heinz Schwarz GmbH & Co. KG
    Diedrich Diedrichsen, Geschäftsführender Gesellschafter der Heinz Schwarz GmbH & Co. KG
    Diedrich Diedrichsen auf der Tebis Hausmesse 2017.