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    CAD/CAM-Zukunft nur mit Template-Technologie?

    Interview mit Harald Klieber: Entwicklungsleiter Dr. Wolfgang Schinke erklärt die Zukunft.

    Tebis bringt mit der Template-Technologie in Version 4.1 die erste CAD/CAM-Software auf den Markt, die jetzt auch die Spanntechnik weitgehend automatisiert.

    Herr Dr. Schinke, aus meiner Sicht ist Tebis mit der Version 4.1 ein großer Schritt Richtung Vollautomation des CAD/CAM-Prozesses gelungen. War die Template-Technologie nur der Schlüssel, um die Spanntechnik zu automatisieren – oder lassen sich damit weitere Schritte optimieren?

    Die Template-Technologie ist wirklich ein riesiger Schritt, sowohl für die Konstruktion, die Datenaufbereitung als auch für die NC-Programmierung. Grundlage ist unser Ansatz, dass Software für die Einzelteilfertigung möglichst einfach bedienbar und hochgradig automatisiert sein soll. Unser Ziel: Sämtliche Prozess-Schritte zur Ansteuerung einer Fertigungszelle sollen mit Tebis planbar, realisierbar und eben auch einfach bedienbar sein. 

    Wie weit sind Sie von dieser Vision weg?

    Wir haben schon vieles geschafft. Ich denke an den digitalen Zwilling und damit die Simulation in fast 100%ig realer Maschinenumgebung. Und jetzt haben wir die Template-Technik integriert, mit der sich beispielsweise auch die Spanntechnik deutlich einfach anwenden lässt. Diese lässt sich jetzt tatsächlich mit ein paar Bestätigungsklicks perfekt definieren und positionieren. Der CAD-Teil kann damit viel schneller abgeschlossen werden. 

    Welche nächsten Automatismen erlaubt die Template-Technologie noch?

    Aufgrund des Fachkräftemangels sowie der sich immer weiter perfektionierenden 24/7-Fertigung steht die Branche vor der Aufgabe, das Know-how der Zerspanungsexperten zu digitalisieren – immer mit dem Ziel, die Abläufe rund um die NC-Programmierung zu beschleunigen. Allein voran, weil die Fachkräfte nicht rund um die Uhr verfügbar sind, die Spindeln aber ja laufen sollen. Die immer perfektere Automatisierung im CAD/CAM-Bereich ist hier die Grundlage dafür, dass größere Probleme gar nicht erst entstehen. 
     
    Ein Trend in diesem Zusammenhang ist die Standardisierung, etwa in Form von Farbkennzeichnungen, mit der Bauteile nicht nur transparenter, sondern auch für die Programmierung intelligenter gemacht werden.

    Das klingt logisch. Aber begeben sich bei der Mächtigkeit aktueller CAD/CAM-System die Zerspaner und Programmierer nicht in eine ultimative Abhängigkeit zu ihrem Software-Hersteller?

    Eine gewisse Bindung ist unvermeidlich – wie in vielen anderen Technologiebereichen auch. Die Nähe bringt faktische Vorteile mit sich: Um Präzision, Tiefgang und auch die Automation des Prozesses weiter voranzutreiben, müssen die Anwender heute viele Schritte automatisieren und profitieren enorm, indem sie auf Datenbanken zurückgreifen. Wenn Sie heute solche Funktionalitäten, wie sie 4.1 bietet, händisch ausführen wollten, wären Sie Stunden, wahrscheinlich Tage beschäftigt, nur um die erforderlichen Geometrie- und Prozessdaten einzugeben. Mit dem richtigen System geht das jedoch auch alles sehr schnell und wird quasi zur Standardanwendung per Klick: Wir haben uns auf unserer diesjährigen Hausmesse einer Challenge durch unsere Kunden gestellt und live vor Ort deren mitgebrachte Bauteildaten programmiert. Auf Basis unserer 4.1 konnten wir jede Herausforderung in kürzester Zeit lösen.

    Weil so viele Daten bereitstehen oder weil viele Zwischenschritte automatisiert wurden und auch nicht mehr quittiert werden müssen?

    Beides! Einen Großteil der Bauteile können wir nach einem standardisierten Ablauf mit wenigen Klicks hochgradig automatisieren.

    Was können die Templates dann noch zur Automation beitragen?

    Einiges. In einem nächsten Schritt werden wir z.B. die Template-Technik noch weiter vereinfachen und sie in Datenbanken verwaltbar machen. 

    Das heißt, die Variantenkonstruktion geht dann mit Tebis 4.2. noch einfacher und noch schneller?

    Auf die V4.2 werden wir nicht warten. Die Template-Technik ist ja jetzt schon sehr mächtig. Weitere Ergänzungen und Verbesserungen lassen wir unseren Kunden in den nächsten Monaten in Form von Service Packs oder Releases zukommen Unsere NC-Funktionalitäten überprüfen wir ebenfalls kontinuierlich um sie gegebenenfalls weiter zu vereinfachen. 

    Gibt es für das Vereinfachen schon jetzt Beispiele?

    Als Highlight in der NC-Programm-Erstellung mit 4.1 zeigen wir beispielsweise, dass Tebis an Restmaterial und Späne denkt. Unsere Restmaterialtechnik baut heute schon auf Kollisionsvermeidungsstrategien und einer qualitativ sehr hochwertigen Rohteilaktualisierung auf. Damit erkennt das System die kritischen Bereiche von Bauteilen schon weit vor dem realen Fräsen oder Drehen. Auch diese Technik ist also gut automatisierbar. Tatsächlich ist eine hohe Qualität in der Rohteilaktualisierung auch unerlässlich, um wirklich exakte Bahnkurven und damit Geometrien und Oberflächen zuarbeiten zu können. Die durchgängige Werkstückaktualisierung und damit der digitale Zwilling des Werkstücks spielen dabei eine große Rolle.

    Und bald läuft der CAD/CAM-Prozess dann komplett ohne menschliches Eingreifen?

    Essenziell ist, dass ausschließlich Gutteile von der Maschine kommen. In der Fertigung sind wir schon sehr nah dran an der vollautomatisierten Herstellung von Bauteilen im Modus 24/7. Ein entsprechender Baustein ist z.B. das Messen auf der Maschine. Auch diesen Prozess haben wir bereits automatisiert: Jedes Teil kann nun nach dem Nachmessen unkompliziert auf der Maschine nachbearbeitet werden. Dazu werden einfach die realen Ergebnisse mit den Sollwerten abgeglichen. 

    In der NC-Programmierung ist ebenfalls schon vieles möglich. 

    In Bezug auf komplexe Bauteile sieht der Prozesse – noch – etwas anders aus:
    Hier ist meist die Entscheidungskraft der Zerspaner gefordert: Will er – oder sie – das Bauteil erodieren, additiv erzeugen, fräsen oder drehen – oder drehfräsen? Bis die Maschinen derartige Entscheidungswege vollumfänglich abbilden können, das dauert vermutlich noch. Übrigens:  Je mehr dieser Fragen schon in der Konstruktion gelöst und entschieden werden, desto weniger muss in der Datenaufbereitung entschieden und automatisiert werden. 
     

    Das geht schon Richtung ML.

    Ja. Machine-Learning und KI sind natürlich spannende Themen für uns – Zukunftsthemen. Und vielleicht entscheidet die Software tatsächlich schon bald über den Technologieeinsatz an der Maschine.
     
    Dr. Wolfgang Schinke, Entwicklungsleiter bei der Tebis AG

    Im Interview mit Harald Klieber.
    Veröffentlicht im E-Magazin NCFertigung 2022